Über den Fachkräftemangel wird schon seit einiger Zeit gestritten und diskutiert. Teilweise wird er komplett geleugnet, andere sehen schon das Ende der deutschen Wirtschaft heraufziehen, wenn nicht schnell neue Arbeitskräfte integriert werden.

Wie so oft verbieten sich auch hier leider einfache Antworten und daher kann man dieses Problemfeld von mehreren Seiten betrachten und bewerten.

Zustimmungsfähig dürfte der Umstand sein, dass die Bevölkerung und damit auch deren arbeitende Teil, einem stetigen Wandel unterworfen ist. Das trifft zum einen auf die Qualifikationsstruktur, vor allem aber auf das Alter zu. Salopp formuliert wird Deutschland aktuell immer noch „älter und weniger“. Trotzdem blieben bisher große Verwerfungen aus, vielmehr bewegen sich die Beschäftigtenzahlen auf Rekordniveau.

Den eher pessimistisch eingestellten Wissenschaftlern vermag das freilich als Argument nicht zu gelten, erwarten sie doch ein Zuschnappen der Demographiefalle erst in den kommenden Jahren.

Doch bleibt die fachliche Seite zu oft außen vor. Denn der oder ein Fachkräftemangel bezieht sich nicht nur auf die absolute Anzahl von Arbeitskräften, sondern vor allem auch auf die Struktur bzw. Qualifikation der zur Verfügung stehenden Fachkräfte, wobei es begleitend naturgemäß zudem eine räumliche Komponente gibt.

Die fehlende Bewertung dieser Zusammenhänge bewirkt daher vielfachen Widerspruch. Zu leicht soll das Wort vom Fachkräftemangel verwendet werden, wobei auf der anderen Seite nach wie vor genug bzw. zu viele Menschen arbeitsuchend sind. Und so wird dann der Begriff des Fachkräftemangels dazu verwendet, verfehlte Arbeitsmarktpolitik oder fehlende Unterstützungsleistengen für einzelne Berufs- oder Personengruppen zu dokumentieren.

Gibt es den Fachkräftemangel also gar nicht? Ist er gar eine Erfindung der Medien oder bestimmter Wissenschaftler, die nur eine bestimmte Politik schönreden möchten? Auch wenn einige Betrachter das glauben, kann dem nicht zugestimmt werden.

Denn dass es in einigen Fachbereichen oder Regionen einen Mangel an bestimmten Bewerber/innen gibt, lässt sich ebenso wenig bestreiten. Der Fehler liegt nur darin, aus dieser an sich richtigen Aussage eine Allgemeingültigkeit zu formulieren und vor allem, daraus dann auch noch bestimmte Schlüsse für die individuelle Situation am Arbeitsmarkt zu ziehen.

So ist es klar, dass beispielsweise eine Firma – auf der sprichwörtlichen grünen Wiese – vielleicht eher Probleme hat Fachkräfte zu rekrutieren, als ein Unternehmen der gleichen Branche, das in einer „angesagten“ Großstadt beheimatet ist. Dort sind dann allerdings die Lebenshaltungskosten höher, was für den Zustrom von geeigneten Bewerbern auch ein Hemmnis darstellen könnte.

Nun kann man aus diesem Beispiel aber nicht folgern, dass eine auf der grünen Wiese gesuchte und knappe Ressource auch überall anders in gleichem Maße knapp und gesucht ist. Hier liegt der Schlüssel zum Verständnis des Fachkräftemangels. Dieser ist heterogen und kann sich regional und von Fachrichtung zu Fachrichtung völlig unterschiedlich darstellen. In der öffentlichen Wahrnehmung wird dieser Umstand allerdings überlagert, weil naturgemäß Unternehmen, die keine geeigneten Mitarbeiter finden, diesen Umstand stärker beklagen, als Unternehmen, die keinerlei Probleme haben, geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. Gleiches gilt für die Medien, die dazu neigen mögen, eher Missstände als Erfolgsgeschichten zu präsentieren.

Somit ergibt sich auch kein Automatismus daraus, immer und überall schnellstmöglich eine passende Chance am Arbeitsmarkt zu finden, nur weil der Fachkräftemangel sprichwörtlich in aller Munde ist. Vielmehr werden auch völlig identische Berufs- und Qualifikationswege teilweise unterschiedlich stark regional nachgefragt.

Das führt dazu, dass der Arbeitsmarkt den Markteilnehmern die genauso kontrovers diskutierte Flexibilität abverlangt. Der Traumjob kann es notwendig machen, den Lebensmittelpunkt zu verlagern. Gleichzeitig stehen regionale Arbeitnehmer stärker im mindestens europaweiten Wettbewerb, der umso stärker zunehmen kann, je höher die individuelle berufliche Qualifikation ist.

Das ist dann auch schon der einzige Nachteil beruflicher Qualifikation. Denn neben der regionalen Komponente spielt in der Tat die absolvierte Ausbildung eine zentrale Rolle für die individuellen Möglichkeiten am Arbeitsmarkt.

Somit ergibt sich ein Ungleichgewicht zu Lasten geringer Qualifikation, das dazu führen kann, dass in bestimmten Bereichen zu wenig Bewerber vorhanden sind, Unternehmen also von einem Fachkräftemangel sprechen. Gleichzeitig aber eben eine bestimmte Gruppe am – regionalen – Arbeitsmarkt gar nicht oder nur schwer einen Arbeitsplatz findet.

Wie lässt sich dieses Phänomen nun lösen? Leider wird man konstatieren müssen, dass es keine umfassende und allgemein gültige Antwort geben kann. Denn die Mechanismen zum einen der öffentlichen Wahrnehmung, zum anderen der Marktwirtschaft, die Unternehmen in bestimmte Regionen ziehen läßt, lassen sich nicht ohne Weiteres umkehren.

Gleichzeitig kann nicht nur einseitig von Arbeitsuchenden oder Arbeitnehmern/innen Flexibilität gefordert werden, ohne an anderer Stelle ebenfalls zu versuchen, das Problem anzugehen.

Diese Frage werden wir in einem folgenden Artikel aufgreifen. Bis hierher bleibt festzustellen: Natürlich gibt es einen Fachkräftemangel – es ist nur weder fachlich noch räumlich gleich oder gar gerecht verteilt und genau das ist das Problem. Sowohl in der Bekämpfung als auch der öffentlichen Wahrnehmung.