Das ein Fachkräftemangel in gewissen Regionen oder bestimmten Fachbereichen vorliegt, haben wir bereits diskutiert. Nunmehr stellt sich die Frage, ob und wie man diesem begegnen kann. Was können Unternehmen, Mittelständler oder Organisationen tun, um für die Zukunft einen Mangel an Fachkräften zu bekämpfen, oder diesen gar nicht erst entstehen zu lassen.

Zunächst hat der Fachkräftemangel eine stark regionale Komponente. In der Vergangenheit sind häufig Standortentscheidungen von Unternehmen nicht zuerst danach getroffen worden, wo sich künftig am besten Mitarbeiter rekrutieren lassen. Vielmehr spielten logistische Fragestellungen oder  Fördermöglichkeiten eine wesentliche Rolle bei der Ansiedlung von Unternehmen. Dabei gab es vor allem in ländlichen Gebieten auch staatliche Programme, um strukturschwache Regionen zu unterstützen, man denke nur an die „Zonenrandförderung“. So sinnvoll solche Maßnahmen aus Sicht der betroffenen Regionen sein mögen, für die Personalpolitik in Unternehmen brachten und bringen sie einige Nachteile mit sich.

Denn klar ist, dass Standortnachteile an anderer Stelle wieder ausgeglichen werden müssen, wenn ein Unternehmen im Vergleich mit Marktbegleitern zumindest im Hinblick auf den vielzitierten „war for talents“ nicht in das Hintertreffen geraten möchte. Egal ob ein höherer Verdienst, weitere Lohnzusatzleistungen, Fahrtkostenzuschüsse oder besonders ansprechende Büros und soziale Angebote. In der Gesamtkalkulation dürfte sich so manche Standortentscheidung im Nachgang als gar nicht mehr so besonders günstig herausgestellt haben.

Das gilt umso mehr, als in Zeiten eines enger werdenden Arbeitsmarktes, viele Fachkräfte einen erhöhten Marktwert haben und es sich stärker als in früheren Zeiten teilweise sogar aussuchen können wo und bei wem sie arbeiten möchten. Und auch derjenige, der zumindest noch im Rahmen einer bewußten Entscheidung bereit ist, eine räumliche Veränderung auf sich zu nehmen, erwartet dafür einen entsprechenden Gegenwert. Durch einen generellen Anstieg der Lebenshaltungskosten und verteuerten Wohnraum, mag zudem das Argument von geringeren Kosten in Randgebieten oder auf dem sprichwörtlichen flachen Land, nicht mehr zwingend als Argument für einen Umzug auszureichen.

Was ergibt sich daraus? Nun wird man in den nächsten Jahren vielleicht wie bei Wohnimmobilien, einen stärkeren Trend zurück in die Stadt und Ballungszentren erleben. Doch sollte dabei nicht vergessen werden, dass der Platz dort endlich ist und gerade keine ausreichenden Flächen in jeglicher Preislage vorhanden sind. Gleichzeitig ist das Wohnverhalten gewissen, wenn auch langläufigen, Moden unterworfen. Ist es heute schick, in der Stadt zu wohnen, kann es in zehn Jahren viel zu teuer oder einfach nicht mehr angesagt sein, „mitten drin“ zu wohnen.

Allerdings machen diese Fragestellungen deutlich, dass die Standortentscheidung für die Versorgung mit Arbeitskräften ein entscheidender Faktor sein kann. Dabei geht es im Wesentlichen um altbekannte aber häufig nicht beachtete Umstände, zumindest wenn eine Standortentscheidung getroffen werden soll. Ist das Unternehmen beispielsweise gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar? Liegt der Sitz zumindest in der Nähe einer größeren Metropole? Wie laufen die Pendlerströme in der Region? Immer wieder ist zu beobachten, dass Unternehmen solchen Themen keinerlei Bedeutung beimessen, sondern meinen, wer bei Ihnen arbeiten darf, muss eben sehen, wie er es zum Arbeitsplatz schafft.

Das ist umso fahrlässiger, als dass sich die Lebensumstände teilweise massiv verändern. War es vor Jahren völlig normal, dass die Mehrheit der Frauen nicht berufstätig war, steigt heute die Anzahl der berufstätigen Männer und Frauen. Damit erhöht sich naturgemäß die Belastung im täglichen Ablauf, was ein reibungsloses Zusammenspiel im Alltag essentiell macht.

Doch nicht nur für Familien, für jeden Einzelnen Arbeitnehmer gewinnt der Fahrplan eines Regionalzuges oder die Fahrtstrecke mit dem PKW einen erhöhten Stellenwert, was in der Summe und über einen gewissen Zeitraum einen starken Leidensdruck erzeugen kann, wenn zu viele negative Faktoren zusammen kommen. Ist der Arbeitgeber dann nicht Willens oder in der Lage, ausreichend Parkraum zur Verfügung zu stellen, ein Jobticket für neumodisch und sinnlos hält oder nicht für eine Erweiterung des öffentlichen Nahverkehrs am Standort kämpfen will, ist ein Fachkräftemangel nicht weit, einfach weil diese dem Unternehmen den Rücken kehren.

Interessanterweise sind Arbeitnehmer in vielerlei Hinsicht jedoch genügsamer geworden, weil sich zum Großteil die Arbeitsumstände auch tatsächlich verbessert haben, wenngleich vom Einzelnen eine höhere Arbeitsbelastung gefordert wird. Das hat andererseits dazu geführt, dass sich das Anspruchsdenken verlagert hat. Es werden andere Dinge erwartet, als zu Zeiten der großen Arbeitskämpfe. Neben den reinen Lohnhöhen sind nicht erst seit der Generation Y bei der Diskussion wieder weiche Faktoren in den Fokus gerückt auch wenn niemand realistischerweise das sprichwörtliche „gemachte Bett“ erwartet.

Der Einzelne will sich verstanden und akzeptiert sehen, was sich eben auch in Details ausdrücken kann. Gleichzeitig wird mit dem Maße der erhöhten Verknüpfung von Freizeit und Arbeit z.B. im Sinne einer Rufbereitschaft auch der Wert der Freizeit wieder höher eingeschätzt. Wer  beispielsweise in Schichten arbeitet und das auch klaglos tut, dann aber keinen Bus oder eine Bahn erreichen kann, um ins Werk zu kommen, fragt sich sicher, warum der Arbeitgeber den Schichtplan nicht anpassen kann, um die An- und Abreise zu erleichtern.

Gleiches gilt für den Angestellten im Büro, der regelmäßig später als um 18.00 Uhr nach Hause fährt aber kein Jobticket erhält. Ganz zu schweigen von Unternehmen, die private E-Mailadressen von Angestellten für berufliche Korrespondenz nutzen, weil Kosten für ein Smartphone gescheut werden, obgleich der Arbeitnehmer jeden Tag mehr als eine Stunden pro Strecke in der Bahn unterwegs ist.

In der Summe sind unter dem Stichwort der regionalen Faktoren also solche der Unternehmensansiedlung aber auch der aktiven Auseinandersetzung mit den Herausforderungen oder gar Nachteilen des eigenen Unternehmensstandortes gemeint.

Diese Auseinandersetzung beginnt bereits im Vorstellungsgespräch, wo es sinnvoller ist, mit den Herausforderungen offen umzugehen und Bewerbern Alternativen anzubieten. Wer so etwas in die Personalpolitik von Beginn an einbaut, schafft sich zwar noch keine neue Quelle für zusätzliche Fachkräfte, kann aber zumindest im Kampf um Fachkräfte punkten und gibt sich keine Blöße. Wer auf diese Fragestellungen nicht oder nicht ausreichend eingeht, wird mittelfristig massive Probleme bei der Stellenbesetzung bekommen. Denn letztlich ist auch eine möglichst hohe Besetzungsquote von freien Positionen eine Investition in die Zukunft und damit ein Baustein im Kampf gegen den Fachkräftemangel, gerade, wenn eine Standortentscheidung in absehbarer Zeit nicht veränderbar ist.