Lange Jahre wäre es vielen Menschen nicht ohne Weiteres in den Sinn gekommen, im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung auch an tarifliche Regelungen zu denken. Schließlich war der überwiegende Teil der Arbeitsverhältnisse in der Branche, von einigen wenigen Haustarifen einmal abgesehen, meist vollständig ohne die Anwendung tariflicher Regelungen zustande gekommen.

Durch die gesetzlichen Änderungen der letzten Jahre hat sich diese Bewertung in das Gegenteil gewendet, denn ohne die Gestaltungsmöglichkeiten der im Gesetz verankerten Tariföffnungsklauseln und den Abschschluß entsprechender Tarifverträge, kann die Zusammenarbeit zwischen dem Entleiher, Verleiher und den Beschäftigen kaum funktionieren. Dass diese gesetzliche Gestaltung dabei ein Für und Wieder provoziert, kann nicht verwundern. So monieren Arbeitnehmervertreter seit jeher die Möglichkeit, überhaupt vom sogenannten „equal pay“ Grundsatz abzuweichen, während die Arbeitgeber und die Zeitarbeitsbranche von fehlender Flexibilität und mangelnder Sensibilität im Umgang mit Lohnhöhen und Vergleichslöhnen sprechen.

Unabhängig von der Auseinandersetzung im Detail versperren diese Konflikte jedoch einen wesentlichen Kern des Spannungsverhältnisses. Denn unabhängig von dem im Rahmen eines Kompromisses – und nichts anderes kann eine tarifliche Einigung sein – abgesteckten Grenzmarken, die jede Partei naturgemäß als zu hoch oder zu niedrig bewertet, kann man mit etwas Abstand nur von einem Erfolgsmodell sprechen.

Und das gleich auf beiden Seiten. Den Gewerkschaftsvertretern ist es gelungen, eine bis dahin nahezu vollständig tariffreie Branche flächendeckend in eine Tarifpartnerschaft zu bewegen – die Anwendungsquote dürfte bei deutlich über 90 % aller Betriebe in der Zeitarbeit liegen. Es wurden Lohnhöhen an die Stammbelegschaften angenähert und Mindestlöhne stetig erhöht. Auch die Branchenzuschlagstarife spiegeln dieses Gleichgewicht wieder, stellen sie doch eine auf die jeweilige Branche abgestimmte und fein justierte Umsetzung des „equal pay“ Gedankens im Rahmen der Tarifpartnerschaft dar.

Auch wenn einige Arbeitgebervertreter bereits bei dieser Aufzählung aufschreien mögen und sich die „alten Zeiten“ wieder zurück wünschen: auch und gerade die Arbeitgeber insbesondere der Zeitarbeitsbranche haben Erfolge erzielt. Wie so oft wird der Blick hierfür leider durch den monetären Blickwinkel getrübt. Doch war und ist ein Hauptproblem der Branche gar nicht so sehr die Vergütung für die eigene Arbeit oder der Umgang mit verschiedenen Lohnhöhen. Denn tatsächlich erbringt die Zeitarbeitsbranche seit Jahrzehnten einen für den Arbeitsmarkt wie Unternehmen essentiellen Beitrag zur Erhaltung des Wirtschaftsstandortes Deutschland und ist aus der Wertschöpfungskette von Mittelstand und Industrie nicht mehr wegzudenken. Zu kämpfen hat die Branche vielmehr mit pauschalisierten Angriffen und einer Negativbewertung, die in ihrer Kritik meist völlig subjektiv und sensationslüstern daherkommt.

Mit der eingegangenen Tarifpartnerschaft hat die Branche aber bewiesen, dass sie willig und fähig ist, solide tarifliche Verhandlungsergebnisse zu erzielen und die beschlossenen Regelungen auch innerhalb der Branche umzusetzen. Natürlich haben sich dadurch teilweise Härten ergeben und langjährig liebgewonnene Einschätzungen haben an Bedeutung verloren.

Aber auch mit dieser Erfahrung und Herausforderung stehen Gewerkschaften und Arbeitgebervertreter der Zeitarbeitsbranche wieder Seite an Seite. Denn unabhängig von der Diskussion um Lohnhöhen und Bestandteile von Vergleichslöhnen, vollzieht sich ein immer stärker auch in Deutschland wahrgenommener Wandel der Arbeitswelt. Diesen mag man begrüßen oder verurteilen, er kann erschrecken oder als Chance wahrgenommen werden. Tatsache ist, er kommt beständig näher und mit ihm steigen die Herausforderungen für die Arbeitsmarktakteure.

Denn auch wenn wir weit von vielleicht amerikanischen Verhältnissen entfernt sind und keine Heere von Soloselbständigen die Stammbelegschaften ablösen. Die Tendenzen zu Umbrüchen des Arbeitsmarktes sind bereits deutlich erkennbar und können mittelfristig nicht nur durch ein Bewahren des Althergebrachten und Veruteilen des Neuen bekämpft werden.

Was kann für „new work“ oder „Arbeit 4.0“ eine bessere rechtliche Grundlage bilden als die Zeitarbeit mit ihren Tarifverträgen, regulären Arbeitsverhältnissen und Einstiegslöhnen deutlich jenseits aller Mindestlöhne? Sie bietet das Beste aus zwei Welten, nämlich tarifliche- und arbeitsrechtliche Sicherheit für Arbeitnehmer mit klar gesetzlich geregelten Arbeitsverhältnissen auf der einen und der für Unternehmen notwendigen Flexibilität auf der anderen Seite.

Von daher sind Arbeitnehmervertreter und die Zeitarbeitsbranche im Rahmen der Tarifpartnerschaft viel stärker aneinander gebunden, als meist wahrgenommen. Diese gegenseitige positive Abhängigkeit bildet aber auch die Grundlage dafür, zukünftig genau diese Balance aus arbeitsrechtlichen,  tarifrechtlichen und wirtschaftlichen Interessen zu erhalten.

Im Ergebnis kommt man nicht umhin, die Tarifverträge in der Zeitarbeitsbranche einen Erfolg zu nennen.

Schön wäre, wenn das alle an diesem Prozess Beteiligten auch stärker kommunizieren und jeweils in ihrem Umfeld mit einer großen Geschlossenheit an der Fortentwicklung arbeiten würden. Dann könnte die Zusammenarbeit noch konstruktiver und gleichberechtigter erfolgen und zu weiterhin beachteten Tarifabschlüssen führen, die dann nicht im Nachgang rechtlich angegriffen oder durch unnötige Gesetzesänderungen konterkariert werden.

Denn eines ist allen Akteuren sicherlich noch wichtiger als die Definition von Lohnhöhen und da sitzen dann endgültig Arbeitnehmer, Gewerkschaften und Zeitarbeitsarbeitgeber in einem Boot – Rechtssicherheit und Planbarkeit gerade auch im Rahmen der Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen.