Die technische Entwicklung ist nicht aufzuhalten – das ist sicher richtig und insbesondere auch auf die Mitarbeitergewinnung anwendbar.

Begonnen hat es mit der  Digitalisierung an sich. Die hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass nicht mehr der Postbote die Bewerbungsmappen aus Pappe auf den Tisch der Personalverantwortlichen bringt, sondern das Email- oder Bewerbermanagement-Programms diese Aufgabe erledigt.

Gerade in jüngerer Zeit kamen dazu immer weitere Ausprägungen, wobei vor allem die Social Networks und die Verfügbarkeit mobiler Internetzugänge von vielen als zentrale Punkte einer Umwälzung angesehen werden.

Die Mächtigkeit dieser Veränderungen ist nicht von der Hand zu weisen und wie so oft treffen Veränderungen auf Menschen, die nicht immer froh oder bereit sind, Dinge zu verändern.

Betrachtet man allerdings die Bewerberin oder den Bewerber, wird allenthalben antizipiert, dass diese auf den technischen Fortschritt nur warten, um endlich per App ihren Traumberuf zu finden. Das dann gerne auch noch nebenbei und ohne besonderen Aufwand- am besten im Bus oder der U-Bahn.

Auch dieser Trend ist sicherlich vorhanden. Die Quote der Internetnutzung scheint in jedem Fall zugunsten des Handys entschieden zu sein und schon heute wird ein Großteil der Stellenanzeigen aus dem Onlinebereich auf Handys betrachtet.

Auf der anderen Seite besteht auch eine Diskrepanz zwischen der öffentlichen Wahrnehmung von technischem Verständnis sowie tatsächlicher Sachkenntnis und Umsetzung im Alltag.

Natürlich nutzt ein Großteil vor allem junger Menschen heute Facebook, Instagram oder ähnliche Tools. Letztlich ist das aber kein Beleg dafür, dass es auch im sogenannten professionellen Bereich automatisch zu einer „Banalisierung“ von Prozessen kommen muss. Sicher werden Kommunikationsweisen durch die technische Nutzung reduziert, aber heißt das im Umkehrschluss wirklich, dass die 1-Klick-Bewerbung der richtige Weg ist?

Wie verhält es sich mit der demographischen Entwicklung? Tatsächlich werden die Bevölkerungen in den westlichen Industrienationen immer älter. In der öffentlichen Wahrnehmung ist aber jeder jung und technikaffin? Selbst im sogenannten besten Alter besteht heute noch längst kein Automatismus darin, sich perfekt mit jedweder Technik auszukennen, geschweige denn, sich für deren Nutzung zu interessieren. Wie groß ist der Anteil von Menschen, die die sie umgebenden technischen Geräte in Wirklichkeit nur soweit nutzen und verstehen, wie es unbedingt für die eigene Bedienung sein muss?

Ähnlich verhält es sich mit den sogenannten Chat-Bots. Bisher waren diese vor allem nervenaufreibend und anstrengend, ob Bewerber es künftig im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens besser finden, mit einem Computer zu sprechen, wo es doch auch bei Bankgeschäften oder der Kommunikation mit dem Internetprovider meist nur anstrengend ist, wird sich zeigen.

Dies soll kein Plädoyer für die alten Zeiten werden. Im Gegenteil: ohne die Adaption neuer Techniken werden Menschen und Branchen zukünftig ins Hintertreffen geraten.

Es macht aber auch keinen Sinn, Entwicklungen aus bestimmten Bereichen pauschal auf andere zu übertragen.

Hier scheint der HR Bereich aktuell anfällig und im Fadenkreuz von Medien aber auch Entwicklern zu stehen. So mag es im privaten Umfeld nett sein, mit einem Wisch des Daumens über positives oder  negatives Feedback zu entscheiden. Aber muss so eine Jobsuche funktionieren? Wo liegt der Mehrwert?

Oder ist das Ziel, dass ein Bewerber quasi nach drei Wischbewegungen seinen künftigen Arbeitgeber, den Einsatzort nebst Zeit und Datum erhält? Was passiert, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer dann das erste Mal ins Auge sehen und klar ist, dass diese Zusammenarbeit zum Scheitern verurteilt ist, einfach weil der berühmte „Nasenfaktor“ nicht stimmt?

In diesem Moment ist der Zeitgewinn in der Anbahnungsphase schnell wieder aufgebraucht. Immerhin wurde die neueste Technik verwendet, gebracht hat es nur nichts.

Von daher ist es nicht verwunderlich, dass ein Großteil der HR Branche auf „the next big thing“ wartet. Alle Neuinterpretationen von Stellenbörsen, Bewerbungs-Apps oder Videobewerbungen sind es bisher jedenfalls noch nicht. Eventuell schafft es die sogenannte „AI“, also künstliche Intelligenz irgendwann, die menschliche Bewertung zu ersetzen oder zu ergänzen.

Aber bis dahin bleiben die technischen Hilfsmittel nur Hilfsmittel und wenn sie ihre Aufgabe erfüllt haben, eine Anbahnung zwischen den Menschen herzustellen, startet der eigentliche Prozess auf der fachlichen und menschlichen Ebene. Dieser findet dann aber nicht in der U-Bahn oder dem Bus, sondern persönlich in einem geschützten Raum statt wie eh und je.

Einige Dinge brauchen einfach Zeit, um ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erzielen. Erst recht, wenn Menschen über Menschen entscheiden. Da kann Software zwar mitreden, wird aber so schnell nicht das letzte Wort haben.

In diesem Sinne – frohes Wischen !